Estnisch gehört nicht zu den Sprachen, die für deutsche Muttersprachler leicht zu erlernen sind. Das liegt zum Beispiel an den 14 Fällen, den verschiedenen Formen für den Infinitiv und am Vokalreichtum. (Einschub: Estnisch ist als finno-ugrische Sprache eng mit dem Finnischen und entfernter mit dem Ungarischen verwandt.)
Beim Vokabellernen können deutsche Muttersprachler allerdings nicht wirklich klagen. Denn die deutschen Lehnwörter, die sich im Lauf der Jahrhunderte in der estnischen Sprache angesammelt haben, sind zahlreich. Diese nach und nach zu entdecken, macht Spaß und motiviert. Fast ist es, als ob die Sprache durch diese Wörter sagen würde: Lern mich!
Also gut: Reise heißt reis, Apotheke apteek, Treppe trepp. Bei Wörtern, die mit dem Laut „sch“ beginnen, wird dieser einfach weggelassen, zischen mögen die Esten nicht. Tund heißt Stunde, tuba Stube, pekk Speck. Und der Schlossplatz wird zum Lossi plats.
Ein Z gibt es im estnischen Alphabet ebenfalls nicht. In der Tat ist dieses eigentlich ein überflüssiger Buchstabe, wie man merkt, wenn man der Reihe nach liest: Politsei, residents und vürts. Vürts heißt Gewürz, wer das G geschluckt hat, weiß ich nicht.
Die eingesparten Buchstaben bieten Platz für viele ÖÖs und AAs: Mööbel, daatum, fotoaparaat. Wer sich dann noch um einen fränkischen Zungenschlag bemüht, P und T nicht zu hart ausspricht, versteht bereits eine ganze Menge: Pilt, tekk und prillid – ja?
Wenn ich Esten erzähle, dass mich solche Wörter schmunzeln lassen, verstehen sie das nicht: Wieso lustig? Man schreibt die Wörter einfach so, wie man sie spricht. Das ist richtig. Eben deshalb fühle ich mich manchmal an die Schreibversuche von sechsjährigen Kindern erinnert. Und das ist kein Tsufall.
Besonders schöne (deutsche und andere) Lehnwörter:
Montag, 16. Mai 2011
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6 Kommentar(e):
Verehrte Stadtschreiberin,
So ein klasse Artikel! Ich hätte nicht gedacht dass Estnisch so ein hervorragendes Beispiel für ein Mitglied der europäischen Schprachfamilie ist. Was ich da an Lehnwörtern gesehen hab, das reicht ja schon fast zum Leben. Dann fallen die 14 einem vielleicht auch nicht mehr so schwer auf die Füße, äh Zunge.
Bei "prillid" stehe ich allerdings, Spaß an Linguistik hin oder her, ziemlich auf dem Schlauch *kopfkratz*
Liebe Grüße aus Franggen.
Hallo Herr Ulrichs,
ich weiß ja nicht, ob Ihnen das Fränkische geläufig ist - also das Frängische :) Die Franken unterscheiden zwischen haddem und weichem "B" (und "T") - sprechen es aber (fast) gleich aus ...
Also würde z.B. Prille trotz haddem "B" auch weich ausgesprochen. Alles klar?
Sarah, heißt Brot nicht auch auf estnisch "Leip"? - ich hab da noch so was im Kopf ...
Hallo an die zwei Hobby-Sprachwissenschaftler!
Auf der Nase trägt man natürlich eine prillid - auch wenn diese sowohl wegen des frängischen hadden bs als auch wegen des Anhängsels -id nicht so leicht als solche zu erkennen ist.
"Leib" ist im Wörterbuch unter "Brot" zu finden und kommt sicherlich vom runden Laib Brot, das ist richtig. Allerdings bezeichnet es wohl vor allem eine bestimmte Sorte (leckeres) Schwarzbrot. Für Weißbrot wird das Wort "sai" verwendet, für braunes Brot das Wort "sepik". Einen Sammelbegriff "Brot" scheint es nicht zu geben.
(Das weiß ich aus einem anderen Blog: http://palun.blogspot.com/2011/04/leib-sai-sepik.html)
Viele Grüße!
Ein wunderbarer Artikel - ich freue mich schon auf Teil 2!
Hallo Sarah!
Die 5a und ich haben heute die lustigen Fotos zu diesem Artikel bewundert und ein bisschen in deinem Blog geschmökert. Wir freuen uns immer über Neuigkeiten!
Liebe Grüße aus Fürstenwalde!
Hallo!
Ich muss ehrlich sagen, dass es gar nicht so schwer ist, Estnisch zu lernen. Sobald man das Grundprinzip mit den 14 Fällen verstanden hat, ist es sehr leicht anzuwenden. Umgekehrt - für einen Esten Deutsch zu lernen - ist es, denke ich, schwieriger; er muss die vielen Artikel zu jedem Nomen lernen, die Prepositionen zu den Verben etc.
Muidu.. eine wunderschöne Sprache und ein super Blog!
Liebe Grüße aus Tartu
Elisa
P.S. Ja, das "must leib" ist wirklich unheimlich lecker!
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