Montag, 23. Mai 2011

Aus der Ferne


Um Städte wie Tallinn kennenzulernen, ist es gut, sie zwischendurch zu verlassen. Gestern habe ich also mit dem Rad die Viimsi-Halbinsel nördlich von Tallinn erkundet. Auf Höhe des Strands von Pirita, wo das Segelzentrum der Stadt liegt, beginnt die Silhouette Tallinns sich zu verändern. Das dichte Zusammenspiel von Kirchen und Hochhäusern zieht sich auseinander, aus der einen Stadt werden zwei. Rechts das vertraute Ensemble von Olaikirche, Nikolaikirche und Domberg. Links die Skyline kühn konstruierter Hochhäuser.

Früher muss Tallinn aus der Ferne ganz anders beeindruckt haben. Wenn bei der Einfahrt in den Hafen die Türme der Kirchen und der Domberg sich aufgerichtet haben, waren die Verhältnisse zurechtgerückt, stolz empfing die Stadt ihre Besucher. Heute können die Menschen wählen, welcher Stadt sie sich anvertrauen wollen, ob dem alten Reval oder der neuen Innenstadt, die seit dem Ende der 1990er Jahre erbaut wurde.

Mit dem Sonnenuntergang ergibt sich am Strand von Pirita ein eigenartiger Effekt. Die letzten Strahlen lassen die verspiegelten Fassaden der Hochhäuser golden leuchten. Klar treten sie aus der Silhouette hervor, während die Altstadt bereits in einen Dämmerschlaf zu fallen scheint. Wer stiehlt hier wem die Show? Die eine Stadt putzt sich im letzten Tageslicht heraus, ihre Schwester legt sich zur Ruhe, wie sie es seit Hunderten von Jahren am Ende des Tages zu tun pflegt.

0 Kommentar(e):

Kommentar veröffentlichen