Freitag, 8. Juli 2011

Nachtrag zu: Strick-Graffiti

Die Strick-Graffiti haben also großen Anklang gefunden. Hier deshalb noch die Regenrinne aus Riga.


Wahrscheinlich ist die Regenrinne das „echteste“ Graffito – da vielleicht spontan von einem unbekannten Künstler so farbenfroh umhüllt. Die Häkeleien in Tallinn sind, wenn man so will, ja "nur" entstanden, weil es die Lehrerin gesagt hat. Und die Künstlerin Elisabeth Thiessen gibt ihren Werken in Berlin bereits Namen, das klingt schon sehr etabliert.

In Deutschland habe ich umhäkelte Laternenpfahle oder Ähnliches noch nie gesehen. Das liegt nicht nur daran, dass ich aus Bayern komme. Meine Cousine aus Berlin kannte Strick-Graffiti bislang auch nicht. Es kann also sein, dass sie – wie Italiano vermutet – tatsächlich gut „ins Baltikum“ passen. Dass es kein Zufall ist, dass wir sie dort entdecken, weil Strick-Graffiti verspielt und unprätentiös sind.

Den Strick-Graffiti irgendwie ähnlich sind, so finde ich, folgende Ergänzungen, die Menschen in Tallinn ihrer Umwelt hinzugefügt haben:




Was ist das also, was wir hier sehen? Kunst? Schon Streetart? Deko? Lebensraumverschönerung? Untermauern diese Funde die These, dass liebevoller und bescheidener Alltagsschmuck typisch für Tallinn oder sogar „das Baltikum“ ist?

Auf jeden Fall zeigen sie, dass Tallinn eine Stadt ist, in der es unglaublich viele Kleinigkeiten zu entdecken gibt. Oder anders gesagt: Ganz viel von Tallinn steckt im Detail.

7 Kommentar(e):

Tathi hat gesagt…

Im Studium haben wir uns neulich damit beschäftigt, was "Ästhetik" ist, bzw. wann etwas als ästhetisch bezeichnet werden kann.
Ästhetik, definiert als das wahrnehmbare Schöne / die wahrnehmbare Schönheit findet sich in den geposteten Bildern wieder.
Die Umwelt eines Menschen kann oft sehr ästhetisch sein - vorausgesetzt man ist fähig, die Schönheit wahrzunehmen.
Die Stadtschreiberin scheint einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik zu haben!

ristiema hat gesagt…

In unserem Familienkreis sind soeben weitere Theorien für den "liebevollen und bescheidenen Alltagsschmuck" in Tallin bzw. im Baltikum entwickelt worden:

Ich habe die Hypothese aufgestellt, dass dort eventuell sowohl mehr Zeit (warum auch immer) als auch mehr Raum, innerer und äußerer, für Kreativität vorhanden ist. Denn meiner Meinung nach ist diese die Vorraussetzung für Ästhetik jeder Art.

Unsere Tochter vermutet, dass es in Tallin die Gestaltungen dieser Art einfach auf engerem Raum zu finden sind. In Berlin beispielsweise ist einfach mehr Platz auch für unästhetisches ist. Dadurch stößt man natürlich nicht so häufig auf die auch hier zu findenden Kleinode.

Daraus entwickelt sich für mich der Gedanke, dass der gestalterische Ausdruck, die Freude an Kreativität und Ästhetik viel mit Raum zu tun hat. Es geht um den Raum, in dem wir uns befinden, um dessen Wahrnehmung und die Selbstwahrnehmung des einzelnen innerhalb dieses Raumes. Und es hängt davon wie wir uns dort positionieren und bewegen können.

Bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes spielen natürlich auch rechtliche Bedingungen eine Rolle. Wo nichts spitzes, eventuell herabfallendes, unkonventionelles oder fremdes an Hauswänden erlaubt ist, bleibt natürlich nicht viel......Raum...!

Schließlich bleibt noch der Aspekt wie sich die Ästhetik-Konsumenten durch den Raum bewegen. Auch hier geht es wieder um Wahrnehmung, um das Öffnen der Augen und des Herzens für das Schöne allenthalben. Die Fähigkeit dazu könnte man dann vielleicht als Sinn für Ästhetik bezeichnen.

Anonym hat gesagt…

Danke für "mein" Regenrinnenbild :)

Die Fotoqualität fallt zwar ab im Vergleich zu den Bildern der Stadtschreiberin - aber es hat geregnet - und ich war nur einen halben Tag, nicht 5 Monate in Riga.

Sarah Jana Portner hat gesagt…

Ästhetik als das "wahrnehmbar Schöne" - diese Definition gefällt mir, da nicht zu eng gefasst.

Die Gedanken zum Raum - sehr interessant. Hier habe ich gleich wieder eine Verbindung zu der Gegend - zum "Raum" - rund um den Kulturkilometer gefunden. Tallinn bietet tatsächlich viel Raum und dadurch die Chance, dass dort etwas wahrnehmbar Schönes entsteht.

kloty hat gesagt…

Da muss ich doch gleich mal etwas Werbung machen: letztes Jahr gab es in Berlin diese Ausstellung. Die Webseite der Designerin ist hier. Beim letzten Tallinn-Besuch bin ich dann gleich in den Laden Naiiv in der Pikk 33 in Tallinner Altstadt gestiefelt und habe dort folgendes Bild gemacht.

ristiema hat gesagt…

Es ist doch unglaublich, wie anregend das Stricken und das Gestrickte ist. Vor einigen Jahrzehnten noch die Dömäne der alternativ-Szene und manchmal eher ungewollt kunstvoll scheint dieses Handwerk tatsächlich im künstlerischen Raum angekommen zu sein. Das finde ich toll. Wolle aus Riga habe ich schon...

Sarah Jana Portner hat gesagt…

Hallo Kloty! Vielen Dank für den Hinweis auf den wunderbaren Laden "Naiiv". Habe mein Andenken an Estland dort schon gekauft... Über das Geschäft und die Designerin ließe sich bestimmt auch noch ein schöner Post schreiben, mal sehen ....

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