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Dienstag, 9. Juli 2013

Ende gut und weiter geht’s

Was dann geschah:


Ich bin nach Tallinn in Berlin gelandet – beim Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung und der Presseschau eurotopics. (Lektüretipp für alle, die mit Europa mitfiebern.) Im Sommer 2013 habe ich Berlin dann gegen München und die Berge eingetauscht (und meine Arbeit einfach mitgenommen). In München bleibt mir nun auch Zeit, um wieder ungefähr das zu tun, was ich in Tallinn so gerne getan habe: Kamera packen, Block mitnehmen und raus aus der Tür.

Manchmal halte ich außerdem Vorträge und erzähle, was ich in Tallinn erlebt habe. Und immer wieder lerne ich neue nette Menschen kennen, die die Ostseestadt in ihren Bann geschlagen hat.

In Tallinn war ich übrigens endlich auch im Winter. Und zwar zur Wintersonnenwende. Jetzt weiß ich, wie die Stadt im Dezember ist: Wie zu den Weißen Nächten, nur andersrum.

Es gilt also weiterhin: Zugvögel kommen immer wieder. Bis dahin!

Die nächsten Termine:
  • derzeit keine

Mittwoch, 28. September 2011

Letzte Tage, erste Male und Vollendungen

Die letzten Tage in Tallinn fühlen sich nochmal an wie eine kleine Ewigkeit. Erstaunlicherweise waren sie weniger von letzten Malen geprägt als von ersten Malen. Erst hatte ich gedacht, ich müsste alle guten Orte nochmal aufsuchen. Nochmal mit dem Rad zum Schwimmen nach Paljassaare, nochmal in den bunten Park von Kadriorg, nochmal in die Bäckerei mit den Rosinenschnecken. Doch an all diesen Orten war ich bereits zu einem Zeitpunkt zum letzten Mal, als ich dies noch nicht ahnte.

Stattdessen also: Das erste Mal im Gottesdienst der deutschen Kirchengemeinde, das erste Mal auf ein Bier im Hell Hunt, das erste Mal im botanischen Garten, das erste Mal in einer Ausstellung über Kulturschaffende in Estland. Es fühlt sich an wie immer. Ich bin einfach ganz da und entdecke die Stadt. (Mein Herz will noch nicht verstehen.)

Erste Male in diesen letzten Tagen. Sie zeigen mir ein weiteres Mal, dass meine Bekanntschaft mit Tallinn vielleicht gerade erst begonnen hat. Dieser Blog erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Das wollte er nie. Aber ich denke, er ist so weit gediehen, dass er nun zu Ende gehen darf.

Ich könnte und wollte noch so Vieles schreiben. Und andererseits ist eigentlich alles gesagt.

Im Moment habe ich die Gesichter der Menschen noch ganz unmittelbar vor meinen Augen. Und ich werde sie auch nicht so schnell vergessen. Und selbst wenn irgendwann die Gesichter der Menschen vor meinem inneren Auge zunehmend unscharf werden und verblassen, werde ich noch immer an das Wesen der Menschen denken.

Auch hier gilt: Eigentlich ist alles gesagt, ich habe bereits erzählt, welche Menschen ich hier kennengelernt habe. So manche wurden mir zu Freunden, Ideengebern, geheimen Verbündeten, Kraftspendern, Gute-Laune-Machern oder Vorbildern.

So hänge ich meinen Gedanken nach.

Gestern Abend um Mitternacht auf dem Domberg. Die eine Stadt schläft friedlich, die andere Stadt will noch nicht ins Bett und glitzert in der pechschwarzen Nacht. Eine letzte Fähre aus Helsinki läuft im Hafen ein. Die Linden rascheln mit ihren Blättern und Kati erzählt mir, dass im Winter manchmal der Nebel über der Ostsee hängt.

Heute Nachmittag irgendwo in der Stadt. Gelbe Blätter liegen auf dem kugelrunden Kopfsteinpflaster, füllen die Ritzen zwischen den Steinen. Ein paar Straßenarbeiter haben Laubhaufen zusammen gerecht und sitzen etwas abseits auf einer Bank und machen eine Pause. Ich muss mich beherrschen, damit ich nicht in die Blätterberge hineinlaufe und sie durcheinanderbringe und auf der Straße verteile.

Auch ich hatte im Geheimen einen Wunsch für die letzten Wochen, schaute, wenn ich an ihn dachte, zum Himmel. Gestern Morgen hat er sich erfüllt. Ich liege noch im Bett, gerade hat mein Wecker geklingelt, ich bin sehr müde. Da höre ich durch das gekippte Fenster genau den Lärm, auf den ich gewartet habe. Ich hüpfe aus dem Bett, schalte die Kamera ein und warte an meinem Fenster, schaue nach oben. Es dauert noch ein paar weitere Sekunden, dann sind sie da: Schnattern, flattern und verschwinden.

Im Mai sind zwei Mal Zugvögel über meinen Kopf hinweg gezogen. Sie kamen nach dem Winter zurück. Nun fliegen sie in die andere Richtung, wieder in den Süden.

Ich bin genau so lange in Estland geblieben wie ein Zugvogel.

Und ein solcher kommt wieder.

Donnerstag, 1. September 2011

Vollendungen

Jetzt ist es amtlich, beim Blick in den Kalender nicht zu übersehen: Der letzte Monat läuft. Ich bin ein wenig außer Atem und habe das Gefühl, dass ich mehr erlebe als ich mir unmittelbar merke und festhalten kann. Mein Alltag überholt sich immer wieder selbst und ich könnte in diesem letzten Monat noch gefühlte 73 Posts schreiben.

Vor vier Monaten fotografierte ich eine Frau, die die ersten Frühblüher zu kleinen Sträußchen zusammengebunden hatte. Ihre Hände steckten noch in dicken Fäustlingen, doch sie hatten Primeln, Buschwindröschen und Scillas gepflückt. Ich schrieb, dass das Kleid der Scilla die Farbe des Sommerhimmels ankündigt und nannte den Post „Erwartungen“.

Der Himmel war sehr oft sehr blau, das Wetter viel besser als in Deutschland und ich habe die Darbietung des Sommers so gebannt und aufmerksam verfolgt wie nie zuvor. Fast schon akribisch versuchte ich, mir die Abfolge seiner Auftritte zu merken: Vor einer Woche hat der Löwenzahn geblüht, jetzt duftet der Flieder, wann folgen die Rosen? Sicherlich entstand dieses Bedürfnis, die Jahreszeiten genau zu beobachten, durch die Verdichtung, die ein Sommer im Norden erfährt. Aber ich konnte es nur deshalb befriedigen, weil das Hinterland in Tallinn so präsent ist, viel stärker als in anderen Großstädten, die ich kenne. Auch wenn ich mich tagelang nur im Zentrum aufhielt, wusste ich, welche Blumen gerade am Wegrand wuchsen, welche Früchte auf den Feldern reiften, wann die Pilzsaison begonnen hat. Die Sträuße, die ich mir fast jede Woche für den Schreibtisch kaufte, das Obst auf dem Markt und die Gespräche der Menschen verrieten es mir.

Ich habe mich auch selten so auf den Herbst gefreut, wie in diesem Jahr. Ist der Herbst nicht das Versprechen von Vollendung? Begründet er nicht die Hoffnung, dass es gelingen kann, die Dinge rund zu machen? Ein Blumenstrauß Anfang September sieht ganz anders aus als ein Blumenstrauß Anfang Mai. Kräftiger, verschwenderischer, leuchtender. Noch ein ganzer Monat in Tallinn liegt vor mir und ich bin gespannt, auf das, was er bringen mag. Vielleicht sogar erwartungsvoll.


Dienstag, 30. August 2011

... dass das Feuer nie aufhört zu brennen


Am letzten Samstag im August entzünden die Menschen an der Ostseeküste Hunderte von Feuern, um gemeinsam den Sommer zu verabschieden und die „Nacht der alten Lichter“ zu feiern. Also bin ich nach Sonnenuntergang an den Strand von Kadriorg gefahren, denn auch dort hatten sich einige Dutzend Menschen zusammengefunden und ein Feuer entfacht, Fackeln in den Sand gesteckt und Windlichter in den Dünen verteilt.

Lagerfeuer haben es sowieso so an sich, dass man zu gerne in sie hinein starrt und das lodernde Spiel der Flammen beobachtet, um hier und da einen Gedanken zu entdecken, dem man nachhängen kann. Wenn sich gleichzeitig der Sommer zurückzieht und die dunkle Nacht die Erde überspannt, muss man ein leichtes Frösteln schon verscheuchen. Vielleicht auch deshalb bemerkte ich besonders viele Paare. Die jüngeren standen umschlungen am Wasser. Die älteren saßen weiter hinten, zwischen den Dünen, hatten sich Kerzen mitgebracht und schauten schweigend hinaus aufs Meer, das als schwarzglänzende Fläche an den Strand schwappte.

Die Tradition der nächtlichen Feuer ist gleichzeitig sehr alt und sehr jung. Früher entzündeten die Menschen an der Küste Leuchtfeuer, um den Schiffen den Weg zu weisen, sie vor Gefahren zu warnen und in den sicheren Hafen zu lotsen. Die Idee, eine „Nacht der alten Lichter“ zu feiern, entstand 1992 in Finnland, zum 75. Jahrestag der Unabhängigkeit. Nach und nach verbreitete sich der Brauch in den Nachbarländern und so erhellten am Samstag nicht nur in Finnland Feuer die Nacht, sondern auch in Estland, Schweden, Russland, Lettland, Litauen und Polen.

Ein anderes Feuer außer „unserem“ am Strand von Kadriorg konnte ich zwar nicht erblicken. Aber ich wusste, was die Idee der Lagerfeuernacht ist, dass sie die Menschen rund um die Ostsee verbinden soll. Und so habe ich den Anflug von Wehmut genossen, weil ich mir vorstellte, dass ich ihn, so wie die Erinnerung an den Sommer, die Vorfreude auf den Herbst und das Unbehagen angesichts des schwarzen Meeres, mit anderen teile.

P.S. Wer zum Beispiel nächstes Jahr an der deutschen Ostseeküste ein Feuer entfachen will, sollte sich die Seite www.ancientlights.eu anschauen.

Samstag, 20. August 2011

Ein Tag Haapsalu - Teil 1

Auch in Haapsalu war ich nun, wieder war der Besuch ein Sonntagsausflug und für den schnellen Vergleich halte ich fest: Haapsalu ist eigentlich wie Pärnu, nur dörflicher und dadurch heimeliger.

Bekannt ist Haapsalu für die hauchdünnen Schals, die dort hergestellt werden. Sie müssen so fein gearbeitet sein, dass sie sich durch einen Ring ziehen lassen. Als wir durch das Städtchen spaziert sind, fand gerade ein Straßenfest statt und ein Programmpunkt von diesem war der Strickwettbewerb. Rund zwanzig Damen strickten nach Anleitung um die Wette und, von wegen Handarbeit sei etwas für Omas, die jüngste Teilnehmerin war vielleicht gerade 16.


An mondäne Zeiten erinnert der Bahnhof, der leider nicht mehr von Zügen, aber immerhin von Bussen angefahren wird. Als er 1907 erbaut wurde, konnte sich Haapsalu rühmen, den längsten überdachten Bahnsteig Europas (214 Meter) zu besitzen. Stillgelegt wurde die Strecke nach Haapsalu Mitte der 1990er Jahre, seitdem enden die Züge aus Tallinn in Riisispere. Seit 2004 gibt es nicht mal mehr Gleise, nur noch das Eisenbahnmuseum und ein alte paar Loks dazu.


Ihre einstige Bedeutung weniger verloren haben das Kurhaus und die Strandpromenade. Dort genießen die Gäste auch heute Kaffee und Kuchen auf Spitzendeckchen und flanieren gemächlichen Schrittes am müde platschenden Wasser entlang. Und über all den hellen Holzhäuschen thront schützend die Ruine der Burg, die über Jahrhunderte hinweg Sitz der Bischöfe von Ösel-Wiek war.


Freitag, 19. August 2011

Ein Rad, wo zwei Leute drauf sitzen können

Neulich haben meine Schwester und ich uns ein Tandem gemietet und sind zu meinem Lieblingsstrand auf der Halbinsel Paljassaare geradelt. Das Wetter war augustig, herrlich windig, es gab hohe Wellen zum Drüberhupfen und viel Sonne dazu. Doch nicht vergessen werde ich den Nachmittag allein wegen der Menschen, die uns in Kalamaja und Kopli begegnet sind.

Zuerst ist uns ein kleines Mädchen mit seiner Oma entgegengekommen. Als es uns gesehen hat, hat es große Augen gemacht und dann ernst und gar nicht so laut gesagt: „Super!“ Kurz darauf sprach uns ein älteres Ehepaar auf einer Parkbank an: „Wie nennt man denn so ein Fahrrad?“ Dann zeigten drei Buben gleichzeitig auf uns: „Mama, schau mal!“ Ein Motorradfahrer, der an uns vorbeifuhr, ließ kurz den Motor aufheulen, eine Gruppe Jungs, die auf einer Wiese Picknick machte, rief uns zu, wir sollten uns zu ihnen setzen. Und als wir das Rad einen kleinen Berg hochschieben mussten, fragten uns zwei Frauen, beide in unserem Alter: „Und wie steigt man da auf?“ Na so, haben wir gesagt, uns auf den Sattel geschwungen und unsere Tour fortgesetzt. An den Holzhäusern vorbei, den Kulturkilometer entlang, klingelnd zwischen den Fußgängern hindurch. Am nettesten und denkwürdigsten war die Begegnung an der Bushaltestelle. Dort saß eine Frau mittleren Alters in einem verwaschenen T-Shirt auf der Bank, mehrere Plastiktüten zu ihren Füßen. Sie sieht uns, stutzt, und fängt lauthals an, zu lachen, so ein richtiges Glucksen, von ganz innen heraus, völlig perplex. Wir haben ihr fröhlich zu gewunken und auch gelacht.

Samstag, 13. August 2011

Samstag, Einkaufstag


Aufgenommen auf dem Markt am Bahnhof (Balti jaam): Die Sonne zieht sich schon lange wieder zurück. Aber sie hinterlässt uns die Früchte, die sie reifen ließ.

Mittwoch, 10. August 2011

Ein Tag Pärnu

Die Städte in Estland sind miteinander verwoben und erfüllen oft ganz spezifische Funktionen. Tartu ist, habe ich im Juni gelernt, die Stadt des Geistes und der Ideen. Pärnu ist die Stadt der Muße und der Erholung, man nennt sie die Sommerhauptstadt.

Am Wochenende hat mich ein Sonntagsausflug dorthin geführt. Die Sommerhauptstadt ist natürlich viel kleiner als die echte. Beschaulicher, bunter und über und über mit Jugendstilblüten berankt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die erste Badeanstalt gegründet und so etablierte sich die Stadt als Kurort im russischen Zarenreich und erlebte einen echten Hochbetrieb schließlich in den 1930er Jahren, als eine Schiffsverbindung über die Ostsee eingerichtet wurde. An diese glanzvollen Tage erinnert die Villa Ammende, die der Kaufmann Hermann Ammende 1904 errichten ließ, um dort die Hochzeit seiner Tochter zu feiern.


Mein Andenken an Pärnu ist eine Musik, ich muss kurz ausholen, um zu erzählen, welche:

Neulich habe ich einen anderen Sonntagnachmittag in einem Café in der Lai-Straße verbracht, wo man auf verschnörkelten Holzstühlen sitzt und von Spitzendeckchen Schokoladenkuchen isst. Meine Lektüre war das ebenfalls etwas altmodische Buch „Liebe Renata“, in dem die jungen Mädchen ständig mit rosigen Wangen Walzer und Mazurka tanzen. Und die CD im Hintergrund spielte – fast schon zu passend – heitere Salonmusik dazu.

In Pärnu sitzt vor dem Kursaal ein Mann auf einer Mauer und spielt Akkordeon. Die Musik kommt aus einem Lautsprecher, der in einer Hecke versteckt ist. Für einen Moment kann ich sehen, wie die Sommergäste im Kursaal tanzen, wie die Herren den Damen ihren Arm anbieten, wie diese lächelnd nicken, leichtfüßig den Takt aufnehmen, sich drehen lassen, bis ihnen schwindlig wird. Oh, wie Renata solche Abende liebte! Da ist sie wieder, die Melodie, die mich neulich im Café begleitet hat.


Froh über diese Entdeckung frage ich ein älteres Ehepaar, das auf einer Parkbank sitzt, was das für Musik sei. Die beiden schauen mich verwundert an: Da müsse ich die Leute fragen, die diese Party organisieren. Ein paar hundert Meter weiter ist eine Open-Air-Bühne aufgebaut und zum Soundcheck testet man gerade die Bässe. Die Weise, die leise aus der Hecke tönt, hat das Ehepaar überhört.

Zum Glück habe ich den entscheidenden Hinweis auch ohne das Ehepaar entdeckt, es ist der Name des Mannes mit dem Akkordeon: Raimond Valgre. Der wurde 1913 geboren und starb 1949. Dazwischen, in den 1930er Jahren, füllte er die Salons und ließ die Menschen tanzen – unter anderem zum Saaremaa-Walzer (Saaremaa valss).

Mittwoch, 3. August 2011

Apothekengeheimnisse

Rein, kurz gucken, raus. Die wenigsten Touristen, die in die Tallinner Ratsapotheke strömen, haben Kopfschmerzen oder Blasen an den Füßen. Die meisten wollen die älteste Apotheke Europas sehen. Zwar beanspruchen diesen Titel noch ein paar andere Einrichtungen, zum Beispiel in Florenz und Dubrovnik, doch der Besucherfrequenz tut dies keinen Abbruch. Und eine der ältesten Apotheken in Europa ist die Raeapteek ganz gewiss.

Das genaue Gründungsdatum der Apotheke ist unbekannt, doch aus einem alten Notizbuch der Stadtverwaltung geht hervor, dass sie im Jahr 1422 bereits den dritten Besitzer hatte. Bis ins 18. Jahrhundert hinein hatte die Apotheke sieben Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet, um die medizinische Versorgung der Stadt sicherzustellen. Zusätzlich erfüllte sie die Funktion eines Cafés. Hier trafen sich Ratsherren und Kaufleute und bekamen süßen Klarett (einen Würzwein) gereicht – dass der Apotheker dafür nichts verlangen durfte, war vertraglich festgesetzt. Im Pfarrhof der Heiliggeistkirche, hinter der Apotheke, wurden Heilpflanzen gezüchtet, ein weiterer üppiger Apothekergarten lag vor den Stadtmauern, zuerst beim Harju-Tor, dann beim Nunne-Tor.

In der längsten Zeit ihres Bestehens lag das Schicksal der Apotheke in den Händen einer Familie – der Familie Burchart. Im Jahr 1580 kam Johann Burchart Belavary de Sykava aus Ungarn nach Reval und pachtete die Apotheke. Als er sich zur Ruhe setzte, übergab er sie seinem Sohn und so ging es über zehn Generationen hinweg immer weiter, und immer hieß der nächste Apotheker Johann. Und auch wenn der eine Johann den Laden besser zu führen verstand als der andere, hielten die Männer doch von 1582 bis 1911 den Ruhm der Familie hoch. Sie studierten an den angesehensten Universitäten Europas, in Petersburg, Tartu, Lübeck, Halle und Stockholm, und nahmen ihr Wissen und neue Rezepturen mit in ihre Heimatstadt.

Wer mag, kann die Geschichte der Apotheke in den Chroniken nachvollziehen, die im hinteren Raum auf einer Truhe liegen. Er kann an der Holzdecke die fast verblassten Bemalungen bewundern, die noch aus dem Mittelalter stammen, und in Gläsern die Heilmittel von einst – zum Beispiel sonnengebleichten Hundekot. Und am alten Ofen sind Kräutersträußchen zum Trocknen aufgehängt: Weidenröschen, Johanniskraut, Schafgarbe, Thymian, Kamille ...


Dass diese Pflanzen an die alte Kunst des Apothekerhandwerks erinnern, ist Silja Pihelgas zu verdanken. Vor ein paar Jahren haben die Betreiber der Apotheke beschlossen, dass es schön wäre, wenn die Geschichte des Ortes nicht in Vergessenheit gerät und zusammen mit der Stadt ein kleines Projekt auf die Beine gestellt und in die Obhut von Silja übergeben. Seitdem sorgt sie dafür, dass ein bisschen was von der Atmosphäre, die die Apotheke in all den Jahrhunderten ausmachte, noch heute zu spüren ist. Über eine schmale Holztreppe nimmt mich Silja mit, hinunter in den Keller.

Was den Burcharts wohl gefallen hätte, diese Frage hatte Silja immer im Hinterkopf, als sie die Räume der Apotheke umgestaltete und einrichtete. Und so entstand im Keller nach und nach ein Refugium, in dem noch manche Schätze zu entdecken sind. Regelmäßig führt Silja Schulklassen und andere Gruppen dorthin. Dann dürfen die Kinder Apotheke spielen, Rezepte schreiben, Heilkräuter im Mörser zerstoßen. Aus den Regalen lassen sich dicke vergilbte Bücher hervorziehen, zum Beispiel die Ausgaben der Pharmaceutischen Centralhalle für Deutschland. Die älteste von ihnen stammt aus dem Jahr 1866 und in Deutschland wäre solch ein alter Schinken längst hinter einer Vitrine verschwunden. Hier steht er einfach so herum.


Aus dem Garten eines alten Herrenhauses bringt Silja immer wieder Kräuter mit und als ich da bin, stellt sie mit einem Destillierapparat eine Essenz aus Mädesüß her. Tropfen um Tropfen sammelt sich im Glasröhrchen und ab und an gießt Silja dessen Inhalt in ein Fläschchen. Unlängst wurde entdeckt, dass Mädesüß Wirkstoffe enthält, die gut gegen Falten sind. Nun ist die Pflanze mit dem lateinischen Namen Filipendula ulmaria auf dem Kosmetikmarkt hoch gefragt und ihre Essenz wird teuer bezahlt. Im Keller der Ratsapotheke geht es darum nicht. Hier wird einfach der Geist des Sommers und ein bisschen auch der Geist der Vergangenheit eingefangen. Es riecht nach Blumen und Heu.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Statt Sommerhaus

Eine große Sommerfaulheit befällt in diesen Tagen die Menschen. Viele Bekannte sind jetzt auf ihren Sommerhäusern und nach all ihren Erzählungen stelle ich mir vor, dass sie den ganzen Tag nur auf der Veranda sitzen und Walderdbeeren naschen. Und wenn sie alle verspeist haben, gehen sie wieder in den Wald oder auf die Wiesen und sammeln neue. Und dann setzen sie sich wieder in den Garten und essen weiter. Und manchmal waten sie langsam ins Meer – ins Meer hüpfen können sie eigentlich nicht, das Wasser ist ja so flach.

Die Tage rund um Mittsommer waren sommertrunken, übervoll von Glück und Ausgelassenheit. Jetzt ist der Höhepunkt überschritten und es hat sich eine große gähnende Trägheit breitgemacht. Vielleicht blieb man in mancher Nacht zu lange wach? Wer noch in der Stadt bleiben muss, scheint zu leiden, rutscht ungeduldig auf seinem Schreibtischstuhl hin und her und mag den Urlaub kaum erwarten. Da haben die jungen Arbeitnehmer ohne Kinder eindeutig das Nachsehen.

Ich habe kein Sommerhaus. Mein liebstes Fluchtziel für den Alltag ist die Halbinsel Paljassaare, nordwestlich vom Stadtzentrum. Dort ist die Natur, dafür, dass ich mit dem Rad gerade mal eine halbe Stunde brauche, bis ich da bin, herrlich ungebändigt. Die Halbinsel war sowjetisches Sperrgebiet und mit mehreren Reihen mannshohem Stacheldrahtzaun gegen die Außenwelt geschützt (Flucht- ebenso wie Angriffsgefahr!). Jetzt bröckeln die Zäune und Wachtürme wie so viele Sandsteinbauten in dieser Stadt gemächlich vor sich hin und überlassen das Gebiet bereitwillig den Vögeln und den Anglern. Letztere sind so scheu wie ihre gefiederten Kollegen und nur ab und an als nackte Oberkörper im Schilf zu erspähen.

Alles scheint in diesen Tagen so vollendet, alles steht in voller Blüte. Selbst die Vögel, die vor zwei, drei Wochen noch aufgeregt gesungen haben, sind müder geworden. Der Sommer wird nimmer länger und die Wiesen werden nicht mehr bunter. Aber noch ist es herrlich, wilde Blumen, soweit das Auge reicht, grenzen ans Meer. Ich wünschte, ich könnte jede einzelne pflücken und trocknen und für den Winter aufbewahren.



Dienstag, 12. Juli 2011

Musik am Abend

Und wenn in diesen Tagen die Musik vom Domberg jeden Tag zwei Minuten früher erklingt, dann werde ich wehmütig. Genau zum Sonnenuntergang wird die estnische Flagge auf dem Langen Hermann eingeholt, dazu ertönt ein Volkslied. Jeden Abend am offenen Fenster weiß ich für einen Moment: Länger wird der Sommer nimmer.

Freitag, 1. Juli 2011

Was sich so tut

Schon ziemlich bald nach meiner Ankunft wurde ich von neugierigen Menschen (und insbesondere neugierigen Journalisten aus Brandenburg) gefragt, ob sich Tallinn in der Zeit, die ich schon hier verbracht habe, verändert habe. Und ob das am Kulturhauptstadtjahr läge. Ich fand diese Frage für mich zu früh. Natürlich hatte sich die Stadt verändert, doch das führte ich vor allem auf den Sommeranfang zurück.

Mittlerweile aber ist der 1. Juli, zwei Monate sind rum und ich habe Antworten auf diese Frage gefunden, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten will.

Eine besondere Sympathie hege ich ja von Anfang an für die Gegend rund um den Kulturkilometer. (Er wurde, wie mancher Leser noch weiß, Anfang Mai als Spazier- und Radweg auf einem alten Bahndamm eröffnet und gehört – natürlich – zu Kalamaja.) Regelmäßig bin ich dort unterwegs und bemerke, was sich so tut.

Unlängst hat zum Beispiel auf einem alten Fabrikgelände ein Gemeinschaftsgarten (Katlaaed) aufgemacht. Jeder, der will, bekommt kostenlos ein Stück Beet zur Verfügung gestellt, wenn er verspricht, dieses hübsch zu bepflanzen. Eine Feuerstelle gibt es schon, bald soll eine kleine Open-Air-Bühne dazukommen und vielleicht entsteht zwischen den alten Mauern eine grüne Oase.

Nahezu rund um die Uhr sind die Arbeiter am Meeresmuseum auf den Beinen. In drei großen Hangars, die früher Wasserflugzeuge beherbergten, sollen Schiffe ausgestellt werden. Eigentlich hätte das Museum im Mai eröffnet werden sollen, nun ist November angepeilt, was die Einheimischen ziemlich wurmt. Aber auch dort passiert was, immerhin der Kinderspielplatz mit einem echten Abenteuerschiff ist schon zu besuchen. Und einige besonders motivierte Touristen erkunden schon mal die Baustelle.

Das ganze Gebiet war zu Sowjetzeiten abgeriegelt und durch die Gleise der Güterbahn von der Stadt getrennt ... Wenn man das bedenkt, kann man spüren, wie eine abgewrackte und halb-vergessene Gegend aus dem Schlaf erwacht.

Irgendwann neulich hat auch die Ökoinsel (Ökosaar) im Fischerhafen angelegt. Auf einem Ponton steht ein roter London-Bus, er ist die Bar, rundherum dienen alte Kanister, Plastikplatten und Kabeltrommeln als Tische und Sitzgelegenheiten. Die Idee ist schnell verstanden, offenbar wurde die ganze Insel aus Recycling-Materialien zusammengezimmert. Kein schlechter Ort, um ein billiges Milchspeiseeis zu schlecken oder ein kühles Saku-Bier zu trinken!

Am allerbesten aber gefallen mir die neuen Liegeflächen am Fischerhafen. Der Kai ist dort an vielen Stellen halb ins Wasser gerutscht, die Betonplatten sind rissig und hängen schief Richtung Hafenbecken. Und was hat man vor einer Woche kurzerhand gemacht? Man hat diese Betonplatten mit schönen, gepflegten Holzplanken versehen, die Kanten sorgfältig an die Bruchstellen angepasst und so sind dort Liegeflächen entstanden, wie sie in einem neu eröffneten Freibad nicht besser zu finden wären. Ein perfekter Platz für Mädels, die gerade drei Monate Sommerferien haben.

Natürlich könnte man warten, ob sich der Fischerhafen irgendwann in ein romantisches Kleinod wie an der französischen Atlantikküste verwandelt, mit weiß getünchten Häusern, Segelmasten, die im Wind klappern, Restaurants und Bars, wo die Menschen abends entlang flanieren. Besser aber ist es, das zu nehmen, was jetzt schon da ist.

Jetzt das Beste aus dem machen, was wir haben! Darum geht es doch.



Freitag, 24. Juni 2011

Jaanipäev – Johannitag

Die Stadt ist in diesen Tagen sehr ruhig, denn der Jaani-Tag ist ein Fest, das auf dem Land gefeiert wird. (So ist, wer in der Stadt bleibt und kein Tourist ist, ein wenig zu bedauern. Vielleicht hat er kein Sommerhaus und keine Freunde?) Das „Land“ allerdings beginnt in diesem Fall noch im Stadtgebiet Tallinn, auf dem Gelände des Freilichtmuseums in Rocca al Mare. Dorthin hatten sich gestern Hunderte von Menschen aufgemacht, um bei Musik und Tanz und Würsten vom Grill die Johanninacht zu feiern.

Am allerschönsten waren für mich (neben den frischen Blumensträußen vor den Häusern und in den Zimmern) die Tänze, die eine Gruppe nicht nur für die Zuschauer sondern vor allem für sich selbst getanzt hat. Das waren einfache Kreis- und Reihentänze zur Musik von Geige, Kontrabass und Akkordeon und herrlich ausgelassene, alberne Tanzspiele. Die Männer stupsen ihre Hintern aneinander, mimen einen grölenden Drachen. Die Frauen hocken sich eine hinter der anderen auf die Wiese und formen einen langen Bandwurm. Die Männer ziehen daran, purzeln durcheinander.




Nach einer Weile haben die Herren die Zuschauer aufgefordert, mitzutanzen, und so mischten sich Regenjacken und Kapuzenpullis unter die roten Röcke und immer mehr Menschen füllten die grüne Wiese. Für eine Viertelstunde hat sich mein Leben vielleicht so angefühlt, als wäre ich eine Estin. Die Füße im Wiegeschritt über das Gras, ein fescher junger Mann an meiner Seite, flatternde Bänder in wehenden Haaren in der Abendsonne, durch einen Tunnel aus Armen und den knallbunten Streifen von langen Röcken.

Eine ganz wunderbare Erfindung sind auch die estnischen Schaukeln, die, aus stabilen Brettern zusammengezimmert, an dicken Baumstämmen schwingen. Auf ihnen können acht Kinder gleichzeitig so hoch schaukeln, dass die Schuhspitzen über die Wipfel der Birken hinaus fliegen. In die Klänge des Akkordeons mischten sich helle Lachen und manchmal ein seliges Quietschen.

Ich ahne, wie sehr sich die Kinder in Estland auf den Jaani-Tag freuen müssen. Dann können sie einen ganzen Abend lang schaukeln und tanzen und sich Blütenkränze ins Haar setzen. Und ich ahne, dass einen bei dem Gedanken daran, dass die Tage nun wieder kürzer werden, eine süß schmerzende Wehmut befallen kann.

Dienstag, 21. Juni 2011

Koit und Hämarik (Morgenröte und Abenddämmerung)

„Die kurze Zeit der Freude, die Zeit der kürzesten Nächte, die so reich an Liedern und Blumen ist, entschädigt die Bewohner des Nordlands für das Leiden des strengen Winters. Zu dieser Zeit, in der die Natur des Nordens ein Fest feiert und in der sich Morgenröte und Abenddämmerung die Hände reichen, hat ein alter Mann den Enkeln, die sich um ihn herum versammelt hatten, die Liebesgeschichte von Koit und Hämarik erzählt. Und so werde ich weitergeben, was ich gehört habe.

Kennst Du den Feuerball im Haus des Großvaters? Gerade jetzt hat er sich zur Ruhe gelegt und dort, wo das Licht erloschen ist, schimmert noch ein ferner Schein am Himmel. Und schon bewegt sich das Licht weiter Richtung Osten, wo es bereits bald wieder in vollem Glanz die ganze Natur begrüßen wird. Kennst Du die Hand, die die Sonne in Empfang nimmt und sie zu Bett bringt, wenn sie ihre Reise vollendet hat? Kennst Du die Hand, die ihre Glut wieder neu entfacht und sie wieder auf die Reise entlang des Himmels schickt? Bei Großvater lebten zwei so treue Diener, denen ewige Jugend gegeben war, und als die Sonne am ersten Abend ihre Reise beendet hatte, sagte der Großvater zur Abenddämmerung: „In Deine Obhut, meine Tochter, übergebe ich die untergehende Sonne. Lösche sie aus und verstecke das Feuer, damit es keinen Schaden nehmen möge.“ Und als am anderen Morgen die Sonne ihre Reise wieder antreten musste, sagte er zur Morgenröte: „Mein Sohn, Deine Aufgabe ist es, das Feuer wieder zu entfachen und es für die nächste Reise vorzubereiten.“ Gewissenhaft erledigten die beiden ihre Pflichten und nicht an einem Tag verfehlte die Sonne ihren Bogen am Firmament. Und wenn sie sich im Winter am Rand des Himmels bewegt, geht sie abends früher aus und morgens beginnt sie ihre Reise später. Und wenn sie im Frühling die Blumen aufweckt und im Sommer die Früchte mit ihren warmen Strahlen reifen lässt, dann ist ihr nur eine kurze Pause vergönnt und die Abenddämmerung übergibt die Glut geradewegs der Morgenröte, die sie sofort wieder zu neuem Leben erweckt. Und als nun diese schöne Zeit begonnen hatte, in der die Blumen blühen und duften und Menschen und Vögel das Gewölbe von Ilmarinen mit ihren Liedern erfüllen, da schauten sich die beiden zu tief in ihre dunkel funkelnden Augen. Und als die erloschene Sonne aus der Hand der Abenddämmerung in die Hand der Morgenröte glitt, geschah es, dass sich Hände und Lippen leicht berührten. Aber die Augen, die nie geschlossen sind, hatten bemerkt, was in stiller Heimlichkeit um Mitternacht entstanden war und am nächsten Morgen rief der Großvater beide zu sich und sagte: „Ich bin zufrieden damit, wie ihr Eure Pflichten erfüllt und ich will, dass Ihr rundum glücklich werdet. So möget Ihr zusammengehören und Eure Aufgaben von nun an als Mann und Frau erfüllen.“ Doch die beiden antworteten wie aus einem Mund: „Großvater, verdirb uns nicht unser Glück, sondern lass uns für immer Braut und Bräutigam bleiben, denn in der Zeit der Verlobung, in der die Liebe jung und zart ist, haben wir unser Glück gefunden.“ Und Großvater erfüllte ihre Bitte und erteilte der Entscheidung seinen Segen. So treffen sich die beiden nur ein Mal im Jahr für die Zeit von vier Wochen um Mitternacht, und wenn Hämarik die erloschene Sonne in die Hände ihres Liebsten legt, folgt dem ein sanfter Händedruck und ein Kuss und Hämariks Wangen färben den Himmel rosenrot, bis Koit den Feuerball wieder anzündet und der ferne goldene Schimmer die wieder aufgehende Sonne ankündigt. Bis heute schmückt Großvater zur Feier ihrer Zusammenkunft die Felder mit den schönsten Blumen und die Nachtigallen rufen Hämarik, die nicht von Koits Wange weichen möchte, fröhlich zu: „Du Mädchen der Muße! Oh lange Nacht!““


Anmerkungen:
Niedergeschrieben hat das Märchen von Koit und Hämarik der Arzt und Philologe Friedrich Robert Faehlmann (1798 – 1850). Er sammelte estnisches Volksgut und leistete auch die Vorarbeit für das Nationalepos „Kalevipoeg“, das von Friedrich Reinhold Kreutzwald herausgegeben wurde. „Ilmarinen“ ist in der finnischen Mythologie ein Schmied, der einem Feuergott ähnelt. Das Märchen habe ich mit Hilfe meiner „Estnischlehrerin“ Eva auf Basis des Textes in der estnischen Wikipedia übersetzt und nacherzählt. (Danke, Eva!)

Samstag, 4. Juni 2011

Fliederduft


Ich kenne keine andere Stadt, in der so viele Fliederbüsche wachsen. Seit Tagen trägt der Wind ihren Duft durch die Stadt und macht mich regelrecht betrunken.

Freitag, 13. Mai 2011

Nachtrag zu: Sommerfrühling


Aufgenommen vor dem Kumu-Museum, als es am Himmel plötzlich laut wurde: Auch die Zugvögel kehren zurück.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Sommerfrühling


Aufgenommen im Harjumägi-Park unterhalb des Dombergs (Toompea): Damit keiner mehr glauben muss, ich laufe mit Mütze und Handschuhen durch die Gegend. Das ist lange vorbei, das war letzte Woche. Der Himmel ist seit Tagen wolkenlos, die Bäume werden immer grüner und die Menschen tanken: Sonne! Seit heute ist: Sommerfrühling.

Dienstag, 3. Mai 2011

Erwartungen

Da bin ich. Gelandet pünktlich am 1. Mai. Allerdings spätabends, der ursprüngliche Flug war ausgefallen. Erst war ich enttäuscht, weil ich Estland und Tallinn im Hellen sehen wollte. Dann aber: Die Sonne wollte einfach nicht untergehen. Das Flugzeug flog immer gen Norden und die Sonne mit. Als die Maschine um 22.45 Uhr (Ortszeit) die Kurve Richtung Landebahn drehte, erspähte ich über der Ostsee noch einen letzten Fetzen roten Himmel. Ein Vorgeschmack!

Ich werde in diesen Tagen gefragt, was ich von meiner Zeit in Tallinn erwarte. Gar nicht so viel. Denn in dem Moment, wo ich etwas erwarte, gehe ich nicht mehr unvoreingenommen durch die Stadt. Aber auf einen langen hellen Sommer freue ich mich.

Noch ist es kühl, fast frostig. Der Wetterbericht im Internet zeigt drei Grad an. Und die Menschen in Tallinn versichern mir: Es sei schon wärmer gewesen, letzte Woche. Noch ist an den Bäumen kein Grün zu sehen und in den Hinterhöfen schmelzen Reste von schmutzigen Schneehaufen.

Ich bin geduldig und mag die drei Grad wohl ertragen, der Sommer kommt bestimmt schneller als gedacht. In Tallinn ging die Sonne heute um 5.17 Uhr auf. Um 21.19 Uhr geht sie unter, macht einen Tag von 16 Stunden und zwei Minuten. Zum Vergleich: Der heutige Tag in München dauert nur 14 Stunden und 37 Minuten. (Sonnenaufgang 5:52 Uhr, Sonnenuntergang 20.29 Uhr.) Und Frühlingsblumen gibt es schon jetzt. Dick eingepackte Frauen und Männer verkaufen Narzissen und Tulpen und kleine Sträußchen mit Primeln und Scilla aus dem Garten.

Als Kind habe ich ein Gedicht gelernt, in dem es hieß, dass das Kleid der Scilla sagen soll: „So blau und rein wird der Sommerhimmel sein.“