Samstag, 11. Juni 2011

Der Dom – Toomkirik

Von allen Kirchen in Tallinn beeindruckt mich der Dom am meisten. Hier ist der Geist der Vergangenheit so deutlich spürbar, dass ich fast die Luft anhalten möchte. Von außen betrachtet strahlt der Dom weiß und klar, innen bilden die vielen geschnitzten Epitaphe und Kenotaphe deutschbaltischer Adelsgeschlechter den Kontrast dazu. Düster und mächtig hängen sie an den Wänden und erinnern an die einstigen Herren des Dombergs. Die Epitaphe sind Menschen gewidmet, die in der Kirche auch ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Die Kenotaphe erinnern an verdiente Gemeindemitglieder, ohne dass diese dort begraben wären.

Wegen ihres jüngeren Datums sind die Kenotaphe viel besser erhalten als die Epitaphe, sie glänzen golden im Licht. Mich faszinieren die dunkel gewordenen Epitaphe, deren Inschriften meist nicht mehr zu entziffern sind, ungleich mehr. Aufwändig wurden aus dem Holz Symbole der Macht herausgearbeitet, Wappen, Adler, Ritterhelme. Mir ist, als ob durch die Visiere noch die Augen der Ritter blicken und mich hier betrachten.

Die Holzbänke in der Kirche sind von nahezu mannshohen Wänden umschlossen, jede Bank ergibt so ein eigenes Abteil, das durch eine kleine Tür betreten wird. In Estland, so wurde mir erklärt, will man nicht so gerne wissen, was der Nachbar so treibt. Wer hier Platz nimmt, kann die Gegenwart draußen getrost vergessen. Und darüber sinnieren, ob die Nachbarn vor 200 Jahren das Gleiche beschäftigt hat, wie heute.

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